Zur Ausstellung Kleinode wurden 11 KünstlerInnen für 11 Lampen eingeladen. Herkömmliche Gasthaus-Brauerei-Lampen eines italienischen Biergartens sollten den jeweiligen Ausstellungsraum definieren. Innerhalb dieses frei zur Verfügung gestellten Klein-Raumes ergab sich für mich die Idee, die einzelnen Flächen zu einem Objekt-Körper zusammen zu ziehen. Das Maß der Lampe erinnert mich an eine abstrahierte Kopf-Gesichtsform. Diesen Gedanken aufgreifend modellierte ich einen stillen Anwesenden, der über einem Tisch weilt und nur minimales Licht durch eine Perforation in den Augen und Nasenlöchern spendet.




Wenn man sich verläuft, begegnet man Dingen, die man möglicherweise nie gesucht hätte. So ist das, ich bin u.a. auf einige Textstellen, sprachliche Bilder gestoßen, die ich für heute Abend eingesammelt habe.

Als Hubert uns Teilnehmende,– gebende zum ersten Treffen zusammen einlud hierher ins Gasthaus war Frühling  – aus einem Frühling, oder an einen Frühling, vor mehr als 1200 Jahren, sind die folgenden Zeilen, aus dem Gedicht „Frühlingsnachtgelage unter Pflaumen- und Pfirsichblüten“ des chinesischen Dichters Li Po (auch bekannt unter dem Namen Li Bai), um 750 heißt es darin:

    Himmel und Erde – das ganze All – ist nur
          Ein Gästehaus,
    es beherbergt alle Wesen insgesamt.
    Sonne und Mond sind darin auch nur Gäste,
        Laufgäste ewiger Zeiten.
    Das Leben in dieser flüchtigen Welt
        Gleicht einem Traum.
    Wer weiß wie oft wir noch lachen?
    Unsere Altvorderen zündeten daher
        Kerzen an, um die Nacht zu preisen...“

Im Grunde ist damit schon alles gesagt, was heute Abend (oder an allen Abenden und Tagen) zu sagen wäre, zu sagen ist. Tatsächlich.
Nichts Neues unter der Sonne!

Es geht also um Kerzen, die Nacht und das Preisen ihrer. Die Kerzen finden sich in Gehäusen wieder, sind in Gehäuse gesteckt.

Ich gehe davon aus, dass diese Gehäuse, Gebäude, Aufführungen sind, die uns einladen, befremden, verträumen lassen, erfrischen, verstören, vergessen, verspiegelt abblitzen, bergen, bewohnen, verstecken, verschwinden lassen. Langweilen, entführen, erschrecken, erfinden, ermüden, kalt lassen. Wiederholen, uns nähren und stumm sein, beruhigen, wärmen, uns finden und zurück lassen, lassen, lassen, lassen....

Bei solchen Aufzählungen sind wir unweigerlich in der Gegenwart angelangt, die Kerzen durch elektrische Leuchtmittel ersetzt.

Die Welt ist unser Gehäuse – noch ein Haus für die Sonne und für den Mond?
Was begegnet uns in den Lampen? Der öffentliche Raum – ein Kunstwerk ist per se öffentlich – verweist das Leuchten auf die Quelle des Öffentlichen? Etwas gebietet dem Blick Einhalt.....

Wär nicht das Auge sonnenhaft,
Die Sonne könnt es nie erblicken;
Läg nicht in uns der Göttin eigne Kraft,
Wie könnt uns Göttliches entzücken?

Goethe fehlt nie. Und heute auch nicht Franz Grillparzer:

Sucht' ein Weiser nah und ferne
Menschen einst mit der Laterne;
Wieviel seltner dann als Gold
Menschen, uns geneigt und hold.
Drum, wenn Freundschaft, Liebe spricht,
Freunde, Liebchen, schlaft Ihr nicht!

Es ist wohl Diogenes von Sinope gemeint, der mitten am Tag über den belebten Athener Marktplatz ging, in der Hand eine Laterne! Auf die Frage, was er denn mit seiner Lampe suche - und das am helllichten Tag -, antwortete er: „Ich suche einen Menschen."

Finden wir also geographische, philosophische Orientierung?  In der inneren und äußeren Vierung?

Das Material beschwert sich beim Inhalt über die Form hieß ein Seminar in meiner Studienzeit. Naja: Ein Freund, Markus Grob meinte: Die Lampe bedankt sich beim Licht für das Leuchten. Oder bedankt sich das Licht durch das Leuchten bei der Lampe? Oder anders....?

Herta Müller schreibt 1999 in ihrem Text „Der Fremde Blick“:

„Manchmal sag ich mir: ‘Das Leben ist ein Furz in der Laterne.’ Und wenn das nicht weiterhilft, erzähle ich mir selber einen Witz: Ein alter Mann sitzt vor seinem Haus auf der Bank und der Nachbar geht vorbei und fragt: Na was tust du, sitzen und nachdenken.
Und der Gefragte antwortet: Nein, nur sitzen.
Dieser Witz ist die kürzeste Beschreibung der Selbstverständlichkeit. Ich kenne den Witz seit zwanzig Jahren und setze mich seither zu dem alten Mann auf die Bank.“
Ende des Zitats von Herta Müller.

Das Leben ist ....ein Leuchten. Jetzt. Und die Kunst seine Laterne, vielleicht. Wir begegnen hier selbstverständlich Befreundungen, Befriedungen mit uns, den Tuenden, Schauenden selbst..

Ich hoffe, Ihr steht alle noch gut, spürt einmal für einen Augenblick nach innen und die gute Erde unter Euren Füßen.

Eröffnungsrede, Tobias Kraft