Der Schriftzug an der Wand gibt den Text des „bucklicht Männleins“ wieder. Es ist ein Gedicht über einen sonderbaren Kauz, der den Krug zerbricht, das Spinnrad anhält und den Brei wegisst - der Inbegriff des Unglücks. In der Literatur finden wir den Text als Gedicht, als Volkslied, oft illustriert und meistens für Kinder aufbereitet. Clemens Brentano hat den Text in „des Knaben Wunderhorn“ um 1806 niedergeschrieben. Auch in der Literatur des 20. Jahrhunderts tritt es immer wieder in Erscheinung, z.B. bei Thomas Mann, aber auch in Walter Benjamins „Berliner Kindheit um neuzehnhundert“. Dort wurde es von Tanja Goetzmann wiederentdeckt und in ihrer künstlerischen Arbeit verwendet. Hier präsentiert sie ein Schriftband-Ornament. Die Buchstaben wirken bildhaft und sind einer Typografie des Bauhaus- Schülers Kurt Kranz nachempfunden. Die Buchstaben besitzen eine räumliche Dimension, als wären sie der Wand eingeschrieben oder aufgesetzt. Tanja Goetzmann zerschneidet Zeitungen und setzt die Einzelteile neu zusammen. Papier, vor allem Zeitungspapier ist ihr Medium. Die Zeitung, als Dokumentation der uns umgebenden Gegenwart, wird seziert und zu einem neuen „Sprach-Bild“ zusammengeführt. Tanja Goetzmann nähert sich über das Medium der inhaltlichen Ebene der Sprache. Die Gewichtung bleibt hierbei ausgewogen und der Betrachter wird mit den Dimensionen der Erinnerung und Gegenwärtigkeit, der Geschichte und des erlebten Moments konfrontiert. Präzise, in detailgenauer Konstruktion werden die Buchstaben wie Bausteine nebeneinander platziert. Bild und Sprache ergänzen sich montageartig zu einer Einheit innerhalb der schon vorhandenen Architektur. Ein minimaler Eingriff, der eine neue inhaltliche Ebene einfügt.

Maria Dis