Tanja Goetzmann arbeitet mit den Medien Grafik, Installation und Video. Räume medial einzufangen oder mit der Technik der Collage zu erweitern, ist gleichsam in ihren zweidimensionalen Bildräumen (wie Papier- oder Schriftbildcollagen), als auch in ihren skulpturalen Raummodellen entscheidend. Die Durchdringung von Innen- und Außenraum, als auch die Verschiebung und Manipulation von Perspektive, ist hierbei konstitutiv. So generiert Tanja Goetzmann Bildkörper, die gleichsam Elemente der Rekonstruktion und der Fortsetzung von Raumgefügen in sich einschließen. Die Künstlerin schöpft bei der Bildfindung aus einem breit gefächerten Bildarchiv, das sie fortlaufend mit gefundenen, aus Zeitungen entnommenen Bildern speist, und dieses Material in gleicher Weise sinnstiftend, wie konkret haptisch in ihre künstlerische Arbeit einfließen lässt. Verstellt ist eine 2008 begonnene Werkserie, die Tanja Goetzmann kontinuierlich fortführt. Der Titel bezieht sich auf einen in Bibliotheken gebrauchten Begriff, wenn sich ein Medium nicht mehr an dem ihm zugeschriebenen Ort befindet. Ausgehend von diesem Gedanken des „Nicht-mehr-Verortbaren“, ist Tanja Goetzmanns Projekt entstanden, wie auch zu verstehen: So entleiht die Künstlerin aus einer Bibliothek ein oder mehrere Bücher zu bestimmten Personen oder Themenkreisen. Im Vorgang des Sichtens des Buches wählt Goetzmann eine Seite aus diesem Buch aus, und erweitert diese – durch das Hinzufügen von geometrischen Papierelementen, Fotografien, aus Zeitungen entnommenen Bildern oder Textfragmenten – zu einer temporären Collage. Diese Bildsituation wird von der Künstlerin fotografisch dokumentiert, wobei die fotografische Abbildung der Buchseite auch der jeweiligen Größe des entliehenen Buches entspricht. Das Material wiederum hinterlässt die Künstlerin auf der von ihr bildnerisch konzipierten Buchbildseite, und gibt das Buch mit diesen hinzugefügten Text- und Bildfragmenten als verbleibende Spur ihrer künstlerischen Handlung wieder in der Bibliothek ab. Indem Tanja Goetzmann die bereits bestehende Text- oder Bildfelder mit temporären grafischen Applikationen konfrontiert und in einen kontextuellen Zusammenhang stellt, evoziert sie gleichsam auch neue Bild-Bild- oder Bild-Text-Beziehungen. Ihre fotografische Bild-Benennung steht hierbei in einer vergleichenden, bildwissenschaftlichen Betrachtungstechnik nahe. Doch im Aufgreifen und Weiterführen von bereits im jeweiligen Buch angelegten Bildstrukturen verschränkt die Künstlerin nicht nur Konstruktionselemente und Perspektiven. Vor allem lassen Goetzmanns Fotografien den Verlauf von Zeit und den Abschluss einer von ihr vollzogenen Handlung deutlich wird: Das Medium Fotografie dient der Künstlerin hierbei, diesen Handlungsschritt als ästhetischdokumentarisches Bild festzuhalten, und zugleich künstlerisch modifizierte Bildräume zu eröffnen. Tanja Goetzmann generiert in ihren Collagen so nicht zuletzt auch fiktive Begegnungen, die sich – ähnlich der Inszenierung eines Schaustücks – für einen bestimmten Zeitraum auf einer Bühne ereignen und als erinnerte Erzählung verbleiben.

Christina Irrgang